Gute Mentoren hören zu, stellen relevante Fragen, ermutigen ihren Mentee zum Dialog und erzählen konkrete Geschichten, aus denen der Mentee Erkenntnisse ziehen kann. Mentoren sind also vielmehr Unterstützer als Lehrer. Doch welche Geschichten kommen beim Mentee am besten an? Aus welchen ziehen sie den meisten Nutzen? Häufig sind es eher die Stolpersteine, die Fehlschläge und Misserfolge des Mentors als die Erfolgsgeschichten.
Warum also ziehen Geschichten über Misserfolge den Mentee mehr in den Bann als Geschichten über Erfolge?
Noch immer ist es in unserer Gesellschaft nicht selbstverständlich, über die eigenen Fehler und die Lehren, die wir daraus ziehen konnten zu sprechen. Manchen ist der schöne Schein wichtiger. In den Medien lesen wir mehr über Erfolgsgeschichten als über Stolpersteine und Schwächen.
Mentoren können Mentees zeigen: Fehler gehören zum Leben einfach dazu, Fehler sind nicht lebenslang ein Beinbruch. Das macht Mentees Mut! Mut, den eigenen Weg zu beschreiten und Rückschläge anzunehmen und zu überwinden.
Wir Menschen lernen am besten, wenn Gefühle im Spiel sind. Mentees können die Verlegenheit, die Panik, die Rat- und Sprachlosigkeit, den Stress in fehlgeschlagenen Vorfällen nachvollziehen. Sie wirken wie ein Sog und rütteln den Mentee wach.
Er wird sich an die Entschlossenheit und Leidenschaft des Mentors erinnern, sich von einem solchen Fehlschlag zu erholen und aus diesem Tief wieder herauszukommen – wenn auch er selbst einmal scheitern wird.
Ein Mentor, der wie ein verehrtes Idol daherkommt, wird den Mentee in Ehrfurcht erstarren lassen. Der Mentee nimmt sich zurück und wird versuchen, seinen Mentor nachzuahmen, anstatt seine eigenen Stärken und Fähigkeiten zu entwickeln.
Nahbarer, zugänglicher, hilfreicher und vor allem menschlicher wird der Mentor, wenn er von seinen Stolpersteinen und Fehlern spricht. Die so wichtige Vertrauensbeziehung für das Mentoring-Tandem wächst durch solche Geschichten.
Berichtet der Mentor ausschließlich von seinen Erfolgen, dann ist er austauschbar. Diese ähneln all den anderen Erfolgsgeschichten, die im Netz geteilt werden. Vertragsabschlüsse, Preisverleihungen, Buchveröffentlichungen – erfolgreich, aber lehrreich?
Erzählt der Mentor hingegen, warum er als junge Führungskraft einen naive Personalentscheidung getroffen habe und damit die Teamführung aufs Spiel setzte, dann hört der Mentee mit gespitzten Ohren zu und will wissen: Was und warum lief es falsch? Was hat der Mentor daraus gelernt? Wie hat er sich wieder gefangen und motiviert? Was würde er das nächste Mal anders machen?
Gerade durch solche Fehlschläge erleben die Mentees ihre Mentoren als echt und authentisch.
Wenn Mentoren nur Erfolge erzählen, die für den Mentee in unerreichbarer Ferne gerückt scheinen, leidet die Glaubwürdigkeit der Mentoren. Der Mentee erhält kein Gespür dafür, wie er diesen Erfolg erreichen kann, was er dafür tun oder lassen soll.
Berichtet dieser erfolgreiche Mentor von seinen Herausforderungen, erscheint dem Mentee der Erfolg auch für ihn Normalsterblichen machbar.
Großartigen Führungskräften scheint der Erfolg mühelos in den Schoß zu fallen – selbstverständlich und kinderleicht. Lehren aus Fehlern jedoch geht unter die Haut, nicht selten sind sie tief ins Gedächtnis eingegraben.
Mentees schätzen die Erkenntnisse aus solch schmerzhaften Vorfällen. Ohne Fehler keine Erfahrungen. Ohne Erfahrungen keine Weisheit. Daher sind Fehler nicht nur häufig teuer, sondern auch wertvoll.
Beruhigend wirkt auf den Mentee die Erkenntnis, dass sein Mentor trotz seiner Fehlschläge und Schwächen erfolgreich seinen Karriereweg gegangen ist. Der Mentee beginnt, an sich zu glauben, sieht sein eigenes Potenzial und ergreift Chancen, die sich ihm bieten.
Unser Tipp an Mentoren:
Ihre wahre Stärke zeigt sich durch die Hindernisse und Fehlschläge, die Sie überwunden haben. Also: Erzählen Sie ruhig, warum Sie an welchen Stellen versagt haben. Ihr Mentee wird daraus wertvolle Lehren ziehen.
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