„Das kleine Handbuch des Stoizismus – Zeitlose Betrachtungen, um Stärke, Selbstvertrauen und Ruhe zu erlangen“ von Jonas Salzgeber hat meine Aufmerksamkeit geweckt: Es scheint einen anderen Ansatz zu verfolgen, als die momentan gängige Achtsamkeitsphilosophie.
Stoisch sein ist eine Eigenschaft, die nicht unbedingt nur positiv konnotiert ist. Jemand der stoisch ist, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen – selbst wenn es vielleicht angebracht wäre. Achtsamkeit propagiert ja auch, dass man Probleme nicht zu sehr an sich heranlassen soll. Von daher hat es mich interessiert, was man von der stoischen Philosophie der Antike für sein eigenes Leben in unseren modernen Zeiten lernen kann. Schließlich war die stoische Philosophie eine der erfolgreichsten lebensphilosophischen Schulen der damaligen Zeit.
Jonas Salzgeber ist dem ein oder anderen Leser vielleicht durch seinen englischsprachigen Blog zum Thema Lifehacks bekannt. Dort begegnet einem der Stoizismus auf Schritt und Tritt. In seinem Buch findet sich ein wunderbar zeitgemäßer und moderner Überblick über diese Philosophie. Vor allem im ersten Teil geht es um die Grundlagen, die Namen, die man noch aus dem Geschichtsunterricht kennt, ohne so richtig zu wissen, wofür sie stehen und so altmodisch-preußische Dinge wie die Kardinalstugenden. Aber Vorsicht: viele Menschen fragen sich heute, wie sie ein besserer Mensch sein können – und darauf gibt der Stoizismus Antworten.
Im zweiten Teil seines Buchs, das zwei Drittel des ganzen Umfangs ausmacht, widmet sich der Autor der Praxis. 55 stoische Übungen. Offen gestanden hat mich die schiere Zahl erst einmal erschlagen. Aber es gibt eine Untergliederung in vorbereitende Übungen, situative Praktiken (in schweren Lebenssituationen) und situative Übungen (gegenüber schwierigen Menschen). Jede Übung wird mit einem Bezug zum Stoizismus aus einem antiken Zitat eingeleitet und mit zeitgenössischen Beispielen zum Leben erweckt.
Nichtsdestotrotz würde ich dazu raten, die Übungen nicht alle auf einen Schlag beherrschen zu wollen. Aus meiner Sicht ist es am besten, die Übungen allesamt zu lesen und für jeden der drei Bereiche, Verhaltensweisen zu identifizieren, mit denen man eh schon arbeitet und diese bewusst anzuwenden und zu verfeinern. An Stellen, an denen man kein Patentrezept hat lohnt es sich, eine neue Praxis einzuüben und dann auch dabei zu bleiben. Ich denke, dann hat Salzgebers Werk den größten Nutzwert.
Wer sich für die anderen antiken Lebensschulen interessiert, dem seien Epikureismus, Peripatos und Platonismus empfohlen. Die Lektüre von Jonas Salzgebers Buch und die Beschäftigung mit den anderen drei Lebensschulen haben mich zu dem Ergebnis gebracht, dass ich eher Epikureer und weniger Stoiker bin, weil der Stoizismus für mich den Sinn des Lebens und daraus resultierende Handlungen weniger gut erklärt als der Epikureismus. Vielleicht habe ich deshalb auch so große Probleme mit der ganzen Achtsamkeits-Philosophie – auch eine Erkenntnis.